Chanson et Scène aus Les Conte d’Hoffmann (Jaques Offenbach)

– analytische Betrachtung

Vier Takte Einleitung stellen das harmonische Modell der ersten vier Takte des (gesungenen) Chansons vor. D.h.: der harmonische Verlauf der Takte 1 – 4 entspricht dem der Takte 6-9.

Takt 2 bewegt sich zwischen d-Moll und F-Dur, dies findet sich „verwandt“ in T.7, im s6/5 wieder. Nach Ausweichen in tP (T.3) kadenzieren über D9/7, D6/4, D7. Die Folge kehrt jedes Mal in der Bekräftigung des Männerchores „A la cour d’Eisenack“, als Abschluss des Nachsatzes wieder.

Beginn auf dem Grundton a’’ in triolischen Sechzehnteln fallender Quart (Stufe VIII zu V), die sich markant im Nachsatz („la court“)des Männerchors wiederfindet.

Die Quart wird in umspielten Schritten ausgefüllt, der ein nochmaliger Quartfall folgt (Stufe VI zu III), bevor die Melodie sich in Tonschritten mit chromatischer Verdichtung zur Oberquinte aufschwingt, um als Akkordbrechung (a-Moll Dreiklang und E-Dur-Septakkord) auf der Unteroktave des Anfangstons zu enden.

Das Exotische der Erzählung drückt sich auch in dem allmählichen Erreichen des Grundtons, nach dreimaligem Erscheinen der Oberquinte, aus. Die innenliegende kleine Terz, abwärts d – h, mit dem Wechsel zum jeweils darunterliegenden chromatischen Halbton (T.7), erzeugen durch ihre Harmoniefremdheit ebenfalls eine besondere, vielleicht übermütige Stimmung.

Der Orgelpunkt (T.7) auf dem gleichbleibenden Basston ‚a‘ , der auch die Kadenzierung („A la court..“) nicht freigibt, verstärkt die Wirkung der chromatischen Wechseltöne.

Die harmonische Spannung steigt, denn erst nach der Wiederholung der ersten Periode (T.10 – 15) wird der Grundton durch Tiefalteration ‚a‘ – ‚as‘ (T.15), quasi als Leitton abwärts, zur Dominante G7 der tP C-Dur geführt und kehrt, beinahe identisch kadenzierend, zum Grundton zurück (T.17 – 18 folgen dem harmonischen Eingangsmodell, statt der Doppeldominant die „einfachere“ Subdominante).

Der Eindruck des Exotischen oder des Unsicheren wird zudem auch durch metrische Platzierungen der Einsätze hervorgerufen. Nach dem Anfangston auf der ersten Zählzeit im Bass starten die Streicher und Holzbläser auf dem zweiten Achtel (T.1). Hoffmann beginnt das volltaktig beginnende 1. Couplet (T.5) „verspätet“ auf dem 4. Achtel, als Auftakt zum „zweiten“ Takt. Nach ihm beginnen Violinen und Holzbläser ihr spöttisches Aufsteigen in raschen, schnipselartigen 2-32tel-Figuren auf dem 3. Achtel, der leichter betonten zweiten Zählzeit, die Männer anschließend auf dem erwartbaren 4. Achtel.

Durch Hoffmanns „verspätetem“ Einsatz verlängert sich die eigentlich viertaktige melodische Phrase – Hoffmann und Männerchor (T.6 – 9) auf fünf Takte. Der erste Takt des „Wartens“ (5), der formale Beginn der Strophe, erscheint auch in der Wiederholung (T.10)

Harmonisch erscheint das Couplet nach 4-taktiger Einleitung bzw. Zwischenspiel mit Vorwegnahme des Kadenzmodels(*), in 5-teiliger Brückenform A-A’-B-A’’-A’’’. Wobei A’’-A’’’ melodisch variiert. Die Auftaktquarte der Melodie – T.5-6, erscheint in T.19-20 als Quinte aufwärts („clic clac!“)

[(*) T.3-4 kehren in T.8-9 und13-14 wieder.]

Der B-Teil (T.15) beginnt aus der Terz, die wie zuvor die Quinte, als deren sanftere „Schwester“ im Dreiklang, als Tonwiederholung erscheint. Unter der harmonischen Fortschreitung (Basstang ‚a‘ zu ‚as‘) verändert das ‚c‘ seine harmonische Funktion – von der Terz zum Grundton – bekräftigt wird durch G7 als Dominante (T.16-17), um sofort wieder den kadenzialen Weg zurück, über Subdominante, 6/4-Akkord und Dominantsept zur Grundtonart a-Moll zu nehmen.

In der Wiederholung des A’’-Teils in A’’’ (T.23-26) wird die Kadenz durch Spannungsfermaten unterbrochen, d.h. zeitlich gedehnt (T.25-26).

Die grundlegende, da wiederkehrende Form der Kadenz im Couplet: Doppeldominante-Vorhaltsquartsextakkord-Dominante-Tonika

Formaler Ablauf der Coupletstrophen, ohne Vor- u. Zwischenspiel
Formaler Ablauf der Coupletstrophen, ohne Vor- u. Zwischenspiel

T.29 bringt die wiederholten Einleitungstakte als Zwischenspiel. Das 2. Couplet ist eine genaue Wiederholung der 1. Couplets. (T.31 – 52)

Nach erneutem Zwischenspiel (T.53 – 56) beginnt T.58 das 3. Couplet, das aber in T.65 plötzlich abbricht. Der Gesang bleibt, quasi erstarrt, auf dem ‚h‘ ,der II.Tonstufe (in a-Moll) stehen, das als Dominante nach E-Dur dem neuen tonalen Zentrum führt.

Überleitung in den B-Teil, nach dem die 3.Strophe abbricht
Überleitung in den B-Teil, nach dem die 3.Strophe abbricht

Hier findet eine im Deutschen kaum darstellbare Metamorphose einer Wortbedeutung, gewissermaßen im Kopf Hoffmanns bzw. des Zuhörers, statt. Aus dem französhsien „sa“ – sein, in „Quant aux traits, aux traits de sa figure…“ (T.63 -66) , der Erinnerung der Gesichtszüge Kleinzachs, findet die Bedeutungsveränderung unmittelbar, in dem Zwischenspieltakt (T.67) statt. Das wiederkehrende ‚sa‘ im nächsten Satz – „Ah! sa figure était charmante!“ (T.68) – meint ‚sa‘ als ‚ihre‘ ,die Gesichtszüge der geliebten Sängerin Stella.

Wann stellt sich das Aha-Erlebnis für die Zuhörer ein? erst bei „Je la vois.“ ?(T.72)

Die 3.Strophe bricht ab, aus der Dominante wird die neue Tonika - Hoffmann entrückt.
Die 3.Strophe bricht ab, aus der Dominante wird die neue Tonika – Hoffmann entrückt.

Der B-Teil der Szene hat begonnen.

B-Teil, harmonisches Exzerpt
B-Teil, harmonisches Exzerpt

T.71 – 87: harmonisches „Umherirren“ auf der Suche nach festem Grund.

T.88 – 93: G-Dur ist Tonika, erreichtes Plateau – „schwärmerischer Gestus“ auf vermeintlich erreichtem neuen Grundton ‚g‘ – bricht aber ab: die sich einschleichende Septime ‚f‘ in der Wiederholung des schwärmerischen Gestus (T.93); auf den Worten „leurs ehaudes“ wäre in der Wiederholung der Septimensprung zu erwarten, statt dessen die schwächere Terz, die zur Sexte ‚e‘ („ombres“) führt.

T.94: C-Dur-G-Dur-Pendel, harmonisch unentschlossen, wie auch das nachfolgende Pedeln zwischen Tonika und Tonikaparallele (T.98 – 101; T – Tp7). Bewegte sich das Pendel Takt für Takt, verdoppeln sich die Wechsel nun: halbtaktig wechseln D-Dur-Sept und C-Dur-Quint-Sextakkord (T.102 – 104), um auf der vermeintlich nach G-Dur führenden Dominante D-Dur-Sept „einzurasten“ (T.106-107)

Aber nicht das Erwartbare geschieht, denn durch Hochalterieren des Akkordgrundtons ‚d‘ zu ‚dis‘ (T.108) entsteht ein vermind. Septakkord. ‚Dis‘ wirkt als funktionale Terz des grundtonlosen H-Dur-Sept-Non-Akkords und erfährt eine harmonische Verschärfung in T.110, durch Tiefalteration der (funktionalen Akkord-) Quinte ‚fis‘ zu ‚f‘.

Dadurch entsteht eine doppelte Strebigkeit: die Terz des Septakkords will zum Grundton des Auflösungsklangs gehen, die tiefalterierte Quinte strebt ihrerseits leittönig abwärts zum neuen Grundton.

Ein Höchstmaß an musikalischer Spannung ist erreicht, aber T.112 führt noch zu keiner Auflösung. Das zu erwartende E-Dur erweist sich wieder selbst als Dominante, hier mit dem Vorhalts-Quart-Sext-Akkord (e-a-cis) und nachfolgendem E7-Klang – jeweils 2-taktig im Wechsel. Das Orchester spielt hier wieder im „Schwelgerischen Gestus“ aus T.88 – 93.

Die endlich erreichte Tonika A-Dur (T.120)erscheint aber als Dominantsept-Akkord.

Der Spannnungsabbau erhält offenbar nur über einen Umweg genügend Raum, der über Quintfall – Terzstieg – Quintfall (T.120 – 123, A-Dur – D-Dur – Fis-Dur – h-Moll) zum Subdominant-Quint-Sext-Akkord (T.124, d-fis-a-h) führt.

T.126, das hochalterierte ‚d‘ zu ‚dis‘ im Bass verwandelt den subdominantischen Akkord zu Doppeldomiante (H7), die über den Dominant-Quart-Sext-Akord (T.128, e-a-cis) nochmals zur Doppeldominante – hier aber mit tiefalterierter, starker Quinte (T.130, f-dis-a-h) – direkt zur Dominante E-Dur und abschließenden Tonika A-Dur führt.

Die Gesangsstimme bewegt sich, bis auf die „schwärmierische Einwürfe“, in Tonwiederholungen dennText deklamierend, entlang der Akkordoberstimme, bzw. das Orchester folgt mit seiner Oberstimme der Gesangslinie.

T.134 endet die Erzählung über Stella, die rauschhaft, ohne musikalisch festen Grund zu geben und keine Pause über 65 Takte (T.69 – 134) zulässt, doch mit einem nicht starkem und wenig erfüllendem Ende. Das erreichte A-Dur (T.134), mit dem Terz ‚cis‘ als Melodieton, ist kein sicherer Schluss

T.135, wie ermattend, die sich gleichsam wegschleichende Erinnerung in dem Rest des „schwärmerischen Gestus“ (T.135 – 138), folgt ein kurzer rezitativischer Abschnitt. Nathanael holt Hoffmann wieder in die Realität zurück, mit der verwirrten Frage, wen Hoffmann eben beschrieben habe.

Überleitung zur letzten Strophe des Couplets.
Überleitung zur letzten Strophe des Couplets.

T.154, das Couplet kehrt unmittelbar zurück, ohne Vorspiel wird es noch einmal ganz wiederholt, um mit einer Schlussfloskel – triolisch in Sechzehnteln umspielter Dreiklang, eine Variation des Vorspiels – zu enden.

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Großform: Couplet – Vision und rezitativische Rückführung – Couplet, also A – B – A.

Das Couplet: A-A’ – B – A’’-A’’’ (einfache Brückenform)

(Diese analytische Betrachtung beansprucht nicht vollständig zu sein, insbesondere muss die Gesangslinie, d.h. die Melodie des Couplets noch genauer betrachtet werden. Ihren motivischen Aufbau gilt es noch herauszuarbeiten.)

 


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